24.06.2021

Hinter den Kulissen: Fertigung

Das Design des vollelektrischen Rennflugzeugs UR-1 ist das Ergebnis eines anspruchsvollen Ingenieurprojekts. Sobald die Konstruktion abgeschlossen ist, beginnt die herausfordernde Aufgabe der Produktion.

Während der Fertigung der Teile stehen unsere Mitarbeiter in der Produktion, beispielsweise unsere Techniker für Verbundwerkstoffe, in engem Kontakt mit den Konstrukteuren, um die Einhaltung jedes Details zu gewährleisten und so ein sicheres Flugzeug zu bauen.

Diese schier endlosen Diskussionen betreffen Fertigungstechniken, verfügbare Werkzeuge und Materialien oder einfach nur Messungen. Alle Schritte zwischen dem Designprozess und der Produktion von Flugzeugteilen sind vollständig miteinander verbunden und die Kommunikation spielt eine strategische Rolle, wenn es um Änderungen und Verbesserungen geht. Insbesondere bei einem experimentellen Projekt wie dem unseren.

Bei Pie Aeronefs SA müssen wir im Produktionsprozess der Flugzeugteile für das vollelektrischen Rennflugzeug UR-1 ein kompliziertes System aus Druck, Festigkeit, Flexibilität und Gewicht berücksichtigen. Jede einzelne Komponente und Aktion, wie das Mischen von Harzen, erfordert die Einhaltung strenger Regeln - einschliesslich einer Sicherheitsmarge.

Werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen der Teileproduktion für unser vollelektrisches Schweizer Flugzeug.

Erste Schritte

Nach Erhalt eines vorläufigen Entwurfs besprechen die Produktion, beispielsweise von Verbundwerkstoffen, und die Konstrukteure der Mechanik gemeinsam alle möglichen Optionen, die sie in Bezug auf Werkzeuge und Fertigungstechniken haben. Diese erste Phase ist entscheidend, um das Design am CAD (Computer Aided Design) zu verfeinern und bei Bedarf strategische Änderungen vorzunehmen, beispielsweise bei den Abmessungen einiger Teile.

Aus diesem Grund ist die Kommunikation zwischen dem Team so wichtig. In der Tat hängt die Auswahl der richtigen Materialien für die Herstellung eines UR-1-Flugzeugteils oft sowohl von seiner Geometrie als auch von der Festigkeit ab, die von den Spannungsanalysten gefordert wird. Spätestens an diesem Punkt lässt sich feststellen, wie viele Schichten und/oder Lagen an welchen Stellen genau benötigt werden.

All diese Faktoren sind das Ergebnis einer soliden Teamarbeit, die Theorie und Realität in Einklang bringt. Um Ihnen weitere Einblicke in diese Vorbereitungsphase zu geben: Während der Designstudie der Querruder (die ersten Teile des UR-1, die hergestellt werden) diskutierten die Teams gründlich über die beste Lösung für die Herstellung: Vollschaumkern mit einer Karbonhaut auf der Oberfläche oder Hohlform innen mit einer Ober- und Unterhaut, die mit einem Wabenkern und Rippen hergestellt wird.

Fabrice Allaz und Florian Bernhard bringen die letzten Kohlefaserschichten auf die Haut der Flosse auf, um die Wabenstruktur zu unterteilen
Fabrice und Florian umschliessen die Wabenstruktur des Querruders mit zwei weiteren Kohlefaserschichten

Meistens ist es nicht möglich, ein Teil in «einem Anlauf» zu bauen, selbst wenn es aus einem einzigen Materialtyp besteht. Ein typisches Beispiel ist unser Holm. Er wird aus bis zu 100 übereinander gestapelten Schichten aus Kohlefaser bestehen. Wenn das Epoxidharz aushärtet, erzeugt es Wärme. Aufgrund dieser Reaktion müssen wir unseren Holm in 3 Schritten herstellen, damit wir die benötigte Qualität gewährleisten können.

Werkzeuge und Zeitplan

Fast jedes Teil des Schweizer Elektroflugzeugs UR-1 wird in unserem Haus hergestellt. Um solche Teile, insbesondere die aus Verbundwerkstoff, herzustellen, müssen wir Formen erstellen. Dafür verwenden wir hauptsächlich MDF (Medium Density Fiber). MDS ist eine Holzplatte aus kleinen Fasern oder Holzstaub, die mit Leim vermischt und in verschiedenen Grössen und Dicken geformt wird. Diese Art von Material eignet sich gut, um die von uns gewünschte Form herzustellen. Dies, weil es sich mit unserer CNC-Maschine leicht aus einem grossen Block bearbeiten lässt.

Was den Laminierungsprozess betrifft, so haben wir uns für zwei verschiedene Ansätze entschieden. In einigen Fällen entscheiden wir uns für ein Nasslaminatverfahren und in anderen Fällen für ein Infusionsverfahren.

Die Infusion ist gut geeignet, um äussere Schichten abzudichten und ein besseres Finish zu erhalten. Es eignet sich aber nicht für lokale Laminierungen oder kleine Teile. Auf der anderen Seite bietet uns das Nasslaminat die Möglichkeit, lokal zu arbeiten oder Wabeneinsätze zu überarbeiten, da wir diese nicht mit Harz füllen wollen.

In Zukunft werden wir höchstwahrscheinlich auf eine Prepreg-Technik umsteigen: Das ist eine bereits mit Harz imprägnierte Kohlefaser, mit der wir präziser arbeiten können.

Die Zeit, die für die Herstellung eines einzelnen Teils des UR-1-Flugzeugs benötigt wird, hängt natürlich von seiner Komplexität ab: Ein einfaches Paneel kann in sechs oder sieben Stunden gebaut werden. Die Herstellung eines Flügels dauert viele Wochen.

Es ist sinnvoll darauf hinzuweisen, dass der Entwurf und die Herstellung eines Teils immer ein Kompromiss zwischen Theorie und Realität sind. Mit anderen Worten: Teile können das ideale theoretische Gewicht inkl. Sicherheitsmargen haben, mit dem die Ingenieure zufrieden sind und danach ein tatsächliches Gewicht in der Fertigung, das aufgrund von Produktionsbesonderheiten abweicht: Das muss natürlich korrigiert werden.

Fehlerkultur

Während der Herstellung von Teilen kann es manchmal vorkommen, dass wir einige Differenzen zwischen den Zeichnungen und der Realität feststellen: Das ist normal!

Die Herstellung von Teilen für das erste 100% elektrische Schweizer Rennflugzeug ist eine exakte Arbeit, bei der jede Variable ihren Einfluss hat. Dabei können Fehler und Versehen passieren. Sie sind eine Gelegenheit für uns, zu lernen und auch unsere Fähigkeiten zu verbessern und das Projekt voranzubringen.

Damit wir Fehler oder Defekte erkennen, verfügen wir bei Pie Aeronefs SA bereits über ein effizientes Prüfsystem, das aus genauen, standardisierten und anspruchsvollen Tests besteht.

Mehr über unsere Prüfverfahren erfahren Sie in einem zukünftigen Hinter-den-Kulissen-Artikel von Pie Aeronefs SA.

Interview

Fabrice Allaz, unser Experte für Verbundwerkstoffe, erzählt Ihnen in diesem Interview mehr über seine Arbeit.